CO₂-Bilanzierung für VSME und CSRD

Die CO₂-Bilanzierung gewinnt rasant an Bedeutung – für große Unternehmen pflichtgemäß im Rahmen der CSRD und für kleinere Unternehmen (KMUs) zunehmend als strategischer Erfolgsfaktor. Wer heute seine Treibhausgasemissionen kennt, kann nicht nur regulatorischen Anforderungen gerecht werden, sondern auch Marktchancen nutzen, Kosten senken und seine Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Ob durch gesetzliche Vorschriften oder durch steigende Anforderungen entlang der Lieferkette: Die Erfassung von Scope 1, Scope 2 und gegebenenfalls Scope 3 Emissionen wird zur neuen Normalität. Doch was genau bedeutet CO₂-Bilanzierung – und wie können Unternehmen praktikabel einsteigen?

Was ist eine CO₂-Bilanz?

Die CO₂-Bilanz – oder auch Carbon Footprint – ist die strukturierte Erfassung aller klimarelevanten Emissionen eines Unternehmens. Dabei wird unterschieden:

  • Scope 1: Direkte Emissionen (z.B. Verbrennung fossiler Energieträger, unternehmenseigene Fahrzeuge, Kühlanlagen)

  • Scope 2: Indirekte Emissionen durch bezogene Energie (Strom- und Wärmeeinkauf)

  • Scope 3: Indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette (z.B. Eingekaufte Materialien, Transport, Geschäftsreisen, Produktnutzung etc.)

Je nach Unternehmensgröße und Reportingpflicht variiert die Tiefe der Erfassung. Doch auch für KMUs kann eine CO₂-Bilanz wichtige Vorteile bringen – von Energieeinsparungen bis zur Kundentreue durch Klimatransparenz.

CSRD oder VSME? Zwei Wege zur CO₂-Bilanzierung

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet ab 2027 alle großen Unternehmen in der EU zur umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dazu gehört auch die vollständige CO₂-Bilanzierung gemäß ESRS E1, inklusive:

  • Scope 1: Direkte Emissionen

  • Scope 2: Indirekte Emissionen

  • Scope 3: Weitere indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette

CO₂-Bilanzierung für KMUs: Der freiwillige Weg mit Struktur

Für KMUs gibt es keine direkte gesetzliche Pflicht – aber sehr wohl wachsende indirekte Anforderungen, etwa durch Geschäftspartner, Finanzinstitute oder Fördergeber. Deshalb wurde der VSME-Berichtsstandard eingeführt, mit klarem Fokus:

So erhalten auch kleinere Unternehmen ein Werkzeug, mit dem sie transparent, nachvollziehbar und strukturiert über ihre Emissionen berichten können – ganz ohne übermäßigen Aufwand.

So funktioniert CO₂-Bilanzierung in der Praxis

Eine CO₂-Bilanz aufzubauen ist keine Raketenwissenschaft – aber sie erfordert ein systematisches Vorgehen. Im Kern geht es darum, Emissionen zu messen oder zu schätzen, die im Unternehmen entstehen oder durch das Unternehmen verursacht werden. Die Treibhausgasemissionen werden in CO₂-Äquivalenten (CO₂e) angegeben, damit auch Methan (CH₄), Lachgas (N₂O) und andere Gase einheitlich bewertet werden können.

Im Folgenden erklären wir Schritt für Schritt, wie Unternehmen ihre Emissionen berechnen – unterschieden nach den drei Scopes.

Scope 1: Direkte Emissionen aus eigenen Quellen

Was zählt dazu?

Emissionen aus der Verbrennung von Brennstoffen in Kesseln, Öfen, Fahrzeugen sowie flüchtige
Emissionen aus Klimaanlagen und industriellen Prozessen. 

Wie wird berechnet?

  1. Aktivitätsdaten (Activity Data) erfassen
    Menge des verbrauchten Brennstoffs, z. B. Liter Diesel oder Menge Heizöl (z. B. 2.000 Liter Dieselverbrauch pro Jahr)

  2. Emissionsfaktor anwenden
    Diesel: ca. 2,68 kg CO₂/Liter
    Emissionsfaktoren können z.B. über die IPPC emission factor database gefunden werden

  3. Treibhauspotenziale (GWP) berücksichtigen
    Das Global Warming Potential (GWP) gibt an, wie stark ein THG im Vergleich zu CO2 zur globalen Erwärmung beiträgt: CO₂ = 1, CH₄ = 25, N₂O = 298 – je nach Emissionsart.

  4. Emissionen berechnen
    Die Emissionen werden mit der folgenden Formel berechnet:
    Emissionen CO₂e (in Tonnen oder Kilogramm) = Verbrauch (Activity Data) × Emissionsfaktor × GWP
    z.B. 2.000 L × 2,68 kg CO₂/L x 1 = 5.360 kg CO₂ = 5,36 t CO₂e

  5. Spezielle Berechnung für Energieeinheiten
    Wenn der Brennstoffverbrauch in Energieeinheiten angegeben wird, gilt diese Formel:
    Emissionen = [Volumen x Heizwert] x Emissionsfaktor x GWP
     –> Heizwert (Calorific Value) = Energiegehalt pro Einheit (z. B. 35,8 MJ/L Diesel)

Tipp:
Diese Daten stehen oft bereits in Tankquittungen, Heizkostenabrechnungen oder internen Aufzeichnungen.

Scope 2: Indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie

Was zählt dazu?

  • Stromverbrauch

  • Eingekaufte Fernwärme, Kälte oder Dampf

Zwei Berechnungsmethoden:

  1. Netzbasiert (Location-based): basiert auf dem durchschnittlichen Emissionswert des Stromnetzes. 

  2. Marktbasiert (Market-based): tatsächlicher Stromlieferant inkl. Herkunftsnachweise (z. B. Ökostromverträge)

Formel: Emissionen CO₂e = Activity Data x Emissionsfaktor

Beispiel:

  • Stromverbrauch: 12.000 kWh im Jahr

  • Emissionsfaktor Deutschland 2022 (location-based): 430 g CO₂/kWh

→ 12.000 × 0,430 kg = 5.160 kg CO₂e = 5,16 t CO₂e

Hinweis:
Beide Methoden dürfen parallel ausgewiesen werden. Bei kleinen Betrieben reicht meist die netzbasierte Berechnung.

Scope 3: Weitere indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette

Das GHG Protokoll unterscheidet zwischen 15 Kategorien von Scope 3 Emissionen, unterteilt in vor- und nachgelagerte Emissionen. Dazu gehört unter anderem:

  • Eingekaufte Materialien & Dienstleistungen

  • Transport & Logistik durch Dritte

  • Geschäftsreisen, Pendelverkehr

  • Nutzung und Entsorgung verkaufter Produkte

  • Kapitalgüter, Leasing, Investitionen

Nicht alle Kategorien sind für jedes Unternehmen relevant, deswegen ist als erster Schritt eine Priorisierung der Themen nötig.

Vorgehensweise:

  1. Screening und Priorisierung
    Zuerst wird geprüft, welche der 15 Scope-3-Kategorien überhaupt relevant sind – etwa „Eingekaufte Waren“, „Transport“, „Geschäftsreisen“, „Abfall“, „Produktnutzung“.
    Es gilt: Nicht alles muss erfasst werden – sondern das, was wesentlich ist.

    Zur Bewertung helfen Kriterien wie:

    • Beitrag zur Gesamtemission (Größenordnung)

    • Beeinflussbarkeit durch das Unternehmen

    • Relevanz für Stakeholder (Kunden, Investoren)

    • Risikobeitrag (z. B. Preisvolatilität, Reputationsrisiken)

    • Hoher Umsatz- oder Kostenanteil

  2.  Auswahl der passenden Berechnungsmethoden
    Für jede Scope-3-Kategorie gibt es unterschiedliche Methoden – von grob bis präzise. Grundsätzlich gilt: Je spezifischer die Methode, desto besser die Datenqualität, aber auch der Aufwand steigt. Ein pragmatischer Mix ist oft der beste Weg. Die hier aufgeführten Formeln wurden als Beispiel aus der Kategorie 1: Gekaufte Waren und Dienstleistungen genommen. Alle Formeln gibt es im Scope 3 Calculation Guide:

    Mögliche Methoden (geordnet nach Genauigkeit):

    • Supplier-specific method
      Direkte Emissionsdaten vom Lieferanten
      → hohe Genauigkeit, aufwendig
      Formel: ∑ (Menge der eingekauften Ware (z. B. kg)
      × lieferantenspezifischer Produktemissionsfaktor (z. B. kg CO2e/kg))

    • Hybrid method
      Kombination aus Primärdaten und branchenspezifischen Faktoren. Die Übersicht über die Formeln gibt es hier.

    • Average-data method
      Durchschnittswerte auf Basis von Mengendaten (z. B. kg Material)
      Formel:
      ∑ (Masse oder Einheit der gekauften Ware oder Dienstleistung (Stück bzw. kg)
      × Emissionsfaktor pro Masseneinheit (kg CO2e/kg)) oder Bezugseinheit (z.B. kg CO2e/Stück))

    • Spend-based method
      Emissionsschätzung auf Basis von Ausgaben
      Formel: ∑ (Wert der erworbenen Ware oder Dienstleistung ($/€/CHF) × Emissionsfaktor)

    Beispiel (Spend-based Method):
    Ein VSME kauft 10.000 € Büromaterial im Jahr ein. Der Emissionsfaktor beträgt 0,4 kg CO₂e/€
    → 10.000 € × 0,4 = 4.000 kg CO₂e = 4 t

    Kombinieren erlaubt:
    Unternehmen können für „große“ Emissionsquellen genauere Methoden anwenden – und für „kleine“ Quellen mit Näherungsverfahren arbeiten. Beispiel: Primärdaten für Hauptlieferanten, Durchschnittswerte für Nebeneinkäufe

Tipp für KMUs: Klein starten, strategisch wachsen

Auch wenn Scope 3 freiwillig ist, kann es sinnvoll sein, zumindest eine Screening-Schätzung durchzuführen – um:

    • besser auf Kundenanforderungen reagieren zu können

    • erste Klimaziele zu definieren

    • Kosten-Nutzen-Potenziale zu erkennen (z. B. durch Lieferantenauswahl)

Fazit

Die CO₂-Bilanz ist kein Selbstzweck – sie ist der erste Schritt in eine klimabewusste Zukunft.

Für kleine und mittlere Unternehmen, die ihre CO₂-Bilanzierung strukturiert angehen möchten, empfehlen sich Tools wie das VSME Template zur Unterstützung. Es bietet eine leicht verständliche Vorlage zur Erfassung von Scope 1- und Scope 2-Emissionen sowie optionaler Scope-3-Daten – abgestimmt auf den freiwilligen VSME-Standard und das GHG Protocol. Damit wird der Einstieg einfach, übersichtlich und praxisnah – auch ohne tiefgreifende Vorkenntnisse.

Für Unternehmen, die unter die CSRD fallen, ist zusätzlich die doppelte Wesentlichkeitsanalyse hilfreich, denn sie bietet eine fundierte Grundlage, um relevante Scope-3-Kategorien systematisch zu identifizieren. Hilfreiche Tools dafür gibt es hier