Nachhaltigkeitsthemen 2024: Was Unternehmen wirklich berichten

Mit dem Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) beginnt eine neue Ära der Unternehmensberichterstattung. Zahlreiche Unternehmen in der EU müssen ab dem Geschäftsjahr 2024 detailliert offenlegen, wie sie ökologische und soziale Verantwortung wahrnehmen – und das nach klar definierten Standards: den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Doch was wird tatsächlich berichtet? Welche Nachhaltigkeitsthemen 2024 stehen im Fokus der Unternehmen? Und welche Aspekte bleiben (noch) unter dem Radar?

Teil 2 der Inside CSRD Serie: Nachhaltigkeitsthemen 2024

Die ersten veröffentlichten CSRD-Berichte 2024 liefern hier spannende Einblicke. Auf Basis von mehr als 200 analysierten Berichten und Studien von u. a. EYDeloitte & DRSCPwC (Webcast), HorváthKPMGKEY ESGEuropean Issuers zeigen sich klare Muster:

  • Einige Nachhaltigkeitsthemen 2024 wie Klimawandel oder Arbeitsbedingungen dominieren fast jeden Bericht.

  • Andere – etwa Biodiversität, Lieferkettenrisiken oder Konsumentenbelange – werden deutlich seltener behandelt.

In diesem Artikel werfen wir einen genauen Blick auf diese Prioritätenverschiebung:
Was sagt sie über die aktuelle Umsetzung der CSRD aus – und was bedeutet das für Unternehmen, die jetzt starten?

Spoiler: Wer nur auf Klimaschutz setzt, unterschätzt die Vielfalt der CSRD.

1. Klimawandel, Workforce & Governance: Der ESG-Kern der Nachhaltigkeitsthemen 2024

Die Analyse der ersten CSRD-Berichte 2024 zeigt ein klares Bild: Drei Nachhaltigkeitsthemen stehen bei nahezu allen Unternehmen ganz oben – unabhängig von Branche, Größe oder Land. Sie bilden den de-facto-Standard der neuen Berichterstattungspflicht.

E1 – Klimawandel: Das universelle Thema

Nahezu 100 % der analysierten Unternehmen stufen Klimawandel (ESRS E1) als wesentlich ein.
Berichtet wird zu:

Die Datenlage ist in vielen Unternehmen bereits etabliert, ESG-Ratings und Investoren setzen E1 als Muss voraus. Der Klimabericht wird zunehmend zum strategischen Indikator.

S1 – Eigene Arbeitskräfte: Sozialer Standard mit Datenbasis

ESRS S1 gehört ebenfalls zu den meistberücksichtigten Nachhaltigkeitsthemen 2024. Fast alle Unternehmen berichten über:

  • Diversität & Gleichstellung

  • Arbeitsbedingungen & Arbeitssicherheit

  • Weiterbildung, Fluktuation & Bindung

Warum? Weil die meisten Daten intern verfügbar sind – und soziale Aspekte zunehmend unter Beobachtung von Öffentlichkeit, Aufsichtsrat und Talenten stehen.

G1 – Unternehmensverhalten: Governance gehört dazu

Auch G1 (Business Conduct) wird nahezu flächendeckend berichtet:

  • Antikorruption & Bestechung

  • Whistleblowing-Systeme

  • Werte, Ethik & Verhaltenskodizes

Governance ist nicht neu – aber in der CSRD nun ausdrücklich integrierter Bestandteil der ESG-Offenlegung.

Fokus auf etablierte Themen

Diese drei Themen – Klimawandel, eigene Arbeitskräfte und ethisches Unternehmensverhalten – bilden den klaren Schwerpunkt der ersten CSRD-Berichte. Sie markieren den ESG-Kern der Nachhaltigkeitsthemen 2024, auf den sich viele Unternehmen zunächst konzentrieren. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe:

  • Klare Regulierung: Für diese Themen liegen detaillierte Vorgaben in den ESRS vor. Besonders im Bereich Klimaberichterstattung (E1) sind die Anforderungen durch EU-Taxonomie, GHG Protocol und TCFD bereits gut verankert.

  • Stakeholder-Relevanz: Investoren, Kund:innen, Mitarbeitende und NGOs fordern vorrangig Transparenz bei Klima- und Sozialthemen. Unternehmen wissen: Wer hier nicht berichtet, wird kritisch bewertet.

  • Verfügbarkeit von Daten: Für S1 und G1 liegen in vielen Organisationen bereits langjährig erhobene Personaldaten oder Governance-Reports vor. Auch Klimadaten (Scope 1 & 2) sind meist gut erfassbar.

Dieser Fokus auf etablierte Themen ist ein naheliegender Startpunkt – gerade in einem ersten Berichtsjahr. Dennoch zeigt sich bereits jetzt: Die CSRD verlangt mehr als nur den ESG-Mindeststandard.

Sie fordert eine ganzheitliche Betrachtung aller wesentlichen Auswirkungen – auch dort, wo Unternehmen weniger Erfahrung, geringere Datenverfügbarkeit oder komplexere Zusammenhänge vorfinden. Genau an dieser Stelle zeigen viele Berichte noch deutliche Lücken – und das werfen wir im nächsten Kapitel genauer in den Blick.

2. Biodiversität, Konsumenten, Lieferketten: Die vernachlässigten Nachhaltigkeitsthemen 2024

Während sich der Großteil der ersten CSRD-Berichte auf Klimawandel, Mitarbeitende und Governance konzentriert, bleiben andere Nachhaltigkeitsthemen 2024 auffällig oft im Hintergrund – obwohl sie in vielen Geschäftsmodellen durchaus relevant wären.

Biodiversität (E4): Komplex und häufig ignoriert

Die biologische Vielfalt gilt als einer der größten Hebel – und Risiken – für langfristige Nachhaltigkeit. Dennoch stufen laut Studien von Horváth und Deloitte nur etwa 30–50 % der Unternehmen Biodiversität als wesentlich ein.

Das liegt oft an:

  • unklaren Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell,

  • fehlenden KPIs und Messsystemen,

  • oder an der Phase-in-Regelung, die eine freiwillige Auslassung im ersten Jahr erlaubt.

Dabei betrifft Biodiversität nicht nur Landwirtschaft, Energie oder Chemie – auch Branchen mit globalen Lieferketten oder Flächenverbrauch sind mittelbar betroffen. Viele Unternehmen unterschätzen derzeit noch ihre Rolle in Ökosystemen.

S3 & S4: Gemeinschaften und Konsument:innen kaum sichtbar

Betroffene Gemeinschaften (S3) und Verbraucherbelange (S4) spielen in vielen Berichten kaum eine Rolle.
Gerade B2B-Unternehmen sehen hier oft keine direkte Relevanz – obwohl Infrastrukturprojekte, Produktverantwortung oder gesellschaftliche Auswirkungen in vielen Fällen durchaus gegeben wären.

Was häufig fehlt:

  • systematische Bewertung gesellschaftlicher Effekte,

  • dialogbasierte Stakeholder-Einbindung,

  • standardisierte Indikatoren (z. B. Verbraucherzufriedenheit, Zugang zu Dienstleistungen, Beschwerdemechanismen).

Lieferketten (S2): Als relevant erkannt – aber kaum belegt

Das Thema Lieferkette wird zwar oft als wesentlich identifiziert, doch die tatsächliche Berichterstattung ist häufig lückenhaft. Grund dafür ist meist die begrenzte Datenverfügbarkeit – insbesondere bei indirekten Zulieferern in unteren Stufen. Zudem sind viele Unternehmen noch dabei, ihre Lieferkettenerfassung technisch und organisatorisch aufzubauen.

Die Folge: Pflicht erkannt, Umsetzung vertagt – unterstützt durch Phase-in-Erleichterungen der ESRS.

Ausgelassen – aber nicht irrelevant

Viele der Nachhaltigkeitsthemen 2024, die in den Berichten (noch) kaum auftauchen, sind nicht per se irrelevant – sie sind nur ungleich schwerer zu erfassen, zu quantifizieren oder zuzuordnen. Die CSRD gibt hier Zeit, aber keine Ausrede. Wer bereits jetzt über die Pflichtthemen hinausgeht, positioniert sich strategisch – und reputationswirksam.

3. Warum diese Schieflage entsteht – und was sie bewirkt

Die Analyse der ersten CSRD-Berichte zeigt deutlich: Unternehmen setzen Prioritäten. Doch warum landen bestimmte Nachhaltigkeitsthemen zuverlässig im Bericht – während andere systematisch ausgespart bleiben?

Ursachen: Was (noch) gegen eine breitere Themenabdeckung spricht

Die Gründe für diese thematische Schieflage sind vielfältig, aber nachvollziehbar:

  • Datenverfügbarkeit: Während Klimadaten, Personalkennzahlen oder Verhaltensrichtlinien in der Regel vorliegen, fehlen für Biodiversität, S3/S4 oder Lieferketten häufig belastbare, standardisierte Informationen.

  • Komplexität: Viele dieser Themen sind schwer operationalisierbar. Was ist eine relevante Auswirkung auf ein Ökosystem? Wie quantifiziere ich soziale Auswirkungen entlang globaler Lieferketten?

  • Mangel an etablierten KPIs: Es fehlen anerkannte und breit eingesetzte Kennzahlen, die einen konsistenten Vergleich oder eine strukturierte Prüfung ermöglichen.

  • Phase-in-Regelungen: Die ESRS erlauben für bestimmte Angaben einen verzögerten Einstieg – was viele Unternehmen (legitimerweise) nutzen.

  • Strategische Zurückhaltung: Manche Unternehmen warten bewusst ab, was Stakeholder tatsächlich einfordern – und setzen zunächst auf ein solides Basisreporting zu erwartbaren Kernthemen.

Wirkung: Warum weniger nicht immer mehr ist

Was zunächst wie eine pragmatische Eingrenzung wirkt, hat direkte Folgen:

  • Stakeholderwahrnehmung: Themen, die nicht berichtet werden, werden oft als „nicht relevant“ wahrgenommen – selbst wenn sie es eigentlich wären.

  • Vergleichbarkeit: Wenn Unternehmen sehr unterschiedliche Themen als wesentlich einstufen, wird Benchmarking erschwert – gerade für Investoren und ESG-Ratingagenturen.

  • Reputationsrisiken: Wenn ein relevantes Thema ausgelassen wird (z. B. Biodiversität bei einem Chemiekonzern), kann dies schnell als Lücke oder bewusste Ausblendung interpretiert werden.

  • Verpasste Chance zur Differenzierung: Wer frühzeitig komplexere oder „verdeckte“ Nachhaltigkeitsthemen adressiert, kann sich positiv abheben – vor allem gegenüber Unternehmen, die sich auf das Mindestmaß beschränken.

Berichterstattung ist Positionierung

Die Nachhaltigkeitsthemen 2024 spiegeln nicht nur regulatorische Pflichten wider, sondern auch strategische Entscheidungen. Was Unternehmen berichten – und was nicht – prägt ihre Wahrnehmung am Markt. Die CSRD eröffnet den Raum für ganzheitliche Transparenz. Unternehmen, die diesen Raum aktiv gestalten, gewinnen Vertrauen. Wer ihn defensiv nutzt, riskiert, zurückzufallen.

Fazit: Wer nur Klima berichtet, bleibt in der Nachhaltigkeit eindimensional

Die Auswertung der ersten CSRD-Berichte zeigt: Unternehmen setzen bei der Themenwahl klare Schwerpunkte – und das oft zu Recht. Klimawandel, Arbeitsbedingungen und Corporate Governance bilden einen verlässlichen ESG-Kern, auf den sich viele Organisationen zunächst konzentrieren. Diese Themen sind regulatorisch definiert, strategisch relevant und operativ gut messbar – sie bieten Sicherheit im Reporting und Orientierung für Stakeholder.

Doch Nachhaltigkeit endet nicht beim Klima. Die CSRD fordert eine ganzheitliche Berichterstattung über alle wesentlichen Auswirkungen – und das schließt auch komplexe, indirekte oder weniger greifbare Themen wie Biodiversität, soziale Verantwortung entlang der Lieferkette oder Verbraucherschutz mit ein.

Viele dieser Nachhaltigkeitsthemen 2024 werden bislang noch zurückhaltend oder gar nicht adressiert. Das mag aus Sicht der Datenlage und Ressourcenplanung nachvollziehbar sein – doch es bleibt eine verpasste Chance. Denn wer heute bereits über das Pflichtprogramm hinausgeht und auch unbequeme oder schwierige Themen sichtbar macht, positioniert sich als glaubwürdig, vorausschauend und strategisch reif.

CSRD ist kein Klimareporting mit Anhang – sondern ein Spiegelbild der gesamten Nachhaltigkeitsperformance. Unternehmen, die das ernst nehmen, berichten nicht nur umfassender, sondern auch überzeugender.