Wesentlichkeitsanalyse Benchmark: Einblicke aus der Praxis

Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre ökologischen, sozialen und governancebezogenen (ESG) Leistungen transparent und nachvollziehbar darzustellen. Ein zentraler Bestandteil der Anforderungen zur Berichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ist die doppelte Wesentlichkeit. Diese Analyse hilft Unternehmen, relevante Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren und ihre Auswirkungen auf das Unternehmen und die Gesellschaft zu bewerten.

In diesem Artikel beleuchten wir die Ergebnisse zweier aktueller Benchmark-Studien zur Wesentlichkeitsanalyse. Die erste Studie ist die Kurzumfrage des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC), die im Juni/Juli 2024 unter den DAX 40-Unternehmen durchgeführt wurde. Die zweite Studie, durchgeführt von der Universität Köln, untersucht die frühzeitige Anwendung der CSRD-Materialitätsanalyse in den STOXX Europe 600-Unternehmen.

Diese Analysen bieten wertvolle Hinweise für Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung optimieren und den Anforderungen der ESRS gerecht werden möchten.

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1) Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie des DRSC unter DAX 40

Im Juni/Juli 2024 führte das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) eine Kurzumfrage zum Stand der Wesentlichkeitsanalyse nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) unter den DAX 40-Unternehmen durch. Von den 40 Unternehmen nahmen 34 an der Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Umfrage teil, was einer hohen Rücklaufquote von 85% entspricht.

Hintergrund der Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie

Ziel der DRSC-Umfrage war es, einen Überblick über den Umsetzungsstand der doppelten Wesentlichkeitsanalyse in den führenden deutschen Unternehmen zu gewinnen. Diese Analyse ist für große Unternehmen von öffentlichem Interesse, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, besonders relevant. Bereits für das Geschäftsjahr 2024 müssen diese Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht im Einklang mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erstellen und dabei das Konzept der doppelten Wesentlichkeit anwenden.

Wesentliche Ergebnisse

Die Umfrage konzentrierte sich auf mehrere Schlüsselaspekte der doppelten Wesentlichkeitsanalyse, darunter die themenspezifischen ESRS, die Anzahl der identifizierten Nachhaltigkeitsthemen und der Prozess der Überprüfung durch Wirtschaftsprüfer.

1. Anwendung der ESRS-Standards
Alle teilnehmenden Unternehmen gaben an, im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung die Standards ESRS E1 (Klimawandel) und ESRS S1 (Eigene Belegschaft) anzuwenden. Fast alle Unternehmen (33 von 34) planen zudem die Anwendung des Standards ESRS G1 (Unternehmenspolitik). 

Weitere ESRS-Standards wie ESRS E2 (Umweltverschmutzung), ESRS E5 (Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft) und ESRS S2 (Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette) wurden ebenfalls von mehreren Unternehmen als relevant identifiziert.

Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Themen
Wesentlichkietsanalyse Studie des DRSC unter DAX 40 Unternehmen

2. Anzahl der identifizierten Nachhaltigkeitsthemen

Die teilnehmenden Unternehmen identifizierten zwischen 12 und 86 wesentliche Nachhaltigkeitsthemen auf Basis der ESRS 1 AR 16. Die große Streuung der Themenanzahl zeigt, dass die Unternehmen unterschiedliche Ansätze und Prioritäten bei der Bewertung der Wesentlichkeit anwenden. Im Durchschnitt wurden 42,2 Themen als wesentlich eingestuft, wobei der Median bei 40 Themen lag.

Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Anzahl Themen
Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Anzahl Themen

3. Weitere themenspezifische ESRS

20 Unternehmen adressieren ESRS E2 (Umweltverschmutzung), 16 Unternehmen ESRS E3 (Wasser und Meeresressourcen), 18 Unternehmen ESRS E4 (Biodiversität und Ökosysteme), 26 Unternehmen ESRS E5 (Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft), 25 Unternehmen ESRS S2 (Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette), 15 Unternehmen ESRS S3 (Betroffene Gemeinschaften) und 23 Unternehmen ESRS S4 (Verbraucher und Endnutzer).

4. Unternehmensspezifische Themen
32% der Unternehmen planen, keine unternehmensspezifischen Themen zu berichten; 50% planen ein bis zwei unternehmensspezifische Themen; 15% planen drei bis sieben Themen; ein Unternehmen plant 19 unternehmensspezifische Themen.

5. Prozessprüfung der Wesentlichkeitsanalyse
Ein weiterer Schwerpunkt der Umfrage war der Stand der Prozessprüfung der Wesentlichkeitsanalyse durch Wirtschaftsprüfer. 41% der teilnehmenden Unternehmen (14) hatten bereits eine vorläufige Einschätzung ihrer Wirtschaftsprüfer erhalten, dass ihre Vorgehensweise im Einklang mit den Anforderungen der ESRS steht. 44% (15 Unternehmen) befanden sich zum Zeitpunkt der Umfrage in intensiven Diskussionen mit ihren Wirtschaftsprüfern über den gewählten Prozess.

Diskussion der Herausforderungen und bisherigen Erkenntnisse

Die Ergebnisse der DRSC-Umfrage verdeutlichen, dass die meisten DAX 40-Unternehmen bereits bedeutende Fortschritte bei der Umsetzung der ESRS-Standards gemacht haben. Die Anwendung der wesentlichen ESRS-Themen wie Klimawandel und eigene Belegschaft zeigt eine breite Anerkennung der vermeintlich wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen. Die große Variation in der Anzahl der identifizierten Themen weist jedoch auf unterschiedliche Interpretationen und Ansätze bei der Durchführung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse hin.

Ein weiteres zentrales Thema ist die enge Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern, um sicherzustellen, dass die Prozesse der Wesentlichkeitsanalyse den regulatorischen Anforderungen entsprechen. Dies unterstreicht die Komplexität und die hohen Anforderungen an die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Insgesamt bietet die DRSC-Studie wertvolle Einblicke in den aktuellen Stand der Wesentlichkeitsanalyse in den führenden deutschen Unternehmen und dient als wichtiger Benchmark für andere Unternehmen, die sich mit der Thematik im Zuge der CSRD-Berichterstattung künftig ebenfalls damit befassen müssen.

2) Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie der STOXX Europe 600

Die zweite Studie, durchgeführt von Prof. Dr. Maximilian Müller und Nina Valkyser der Universität Köln, konzentriert sich auf die frühzeitige Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse gemäß den ESRS in den Unternehmen des STOXX Europe 600 Index. Diese Studie bietet tiefgehende Einblicke in die Materialitätsbewertungen und berichtet über Best Practices sowie häufige Herausforderungen bei der Umsetzung der neuen Standards.

Hintergrund der Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie

Die CSRD Materiality Analysis Studie untersucht die frühe Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse durch Unternehmen im STOXX Europe 600 Index für das Geschäftsjahr 2023. Rund 8% der Unternehmen im Index haben die CSRD-Standards vorzeitig eingeführt. Die Studie kategorisiert die Unternehmen in “Early Adopters” und solche, die die doppelte Wesentlichkeit nach CSRD implementiert haben. Insgesamt wurden 48 Unternehmen analysiert, die hinsichtlich ihrer Sektoren und Größe repräsentativ für den Index sind.

Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie

1. Materialität von Themenstandards

  • Klimawandel und Belegschaft: Alle untersuchten Unternehmen stuften ESRS E1 (Klimawandel) und ESRS S1 (Eigene Belegschaft) als wesentliche Themen ein. Die meisten Unternehmen (39 von 45) betrachteten auch ESRS G1 (Unternehmenspolitik) als wesentlich.
  • Weitere Themen: Weitere relevante Themen umfassen ESRS E2 (Umweltverschmutzung), ESRS E3 (Wasser und marine Ressourcen), ESRS E4 (Biodiversität und Ökosysteme), und ESRS E5 (Kreislaufwirtschaft). Bei sozialen Themen wurden ESRS S2 (Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette) und ESRS S4 (Verbraucher und Endnutzer) von mehreren Unternehmen als relevant eingestuft.
Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Uni Köln
Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Uni Köln

2. Verteilung und Relevanz spezifischer und unternehmensspezifischer Themen

  • Unternehmensspezifische Themen: Mehr als die Hälfte der Unternehmen identifizierte unternehmensspezifische Themen, wobei Cybersicherheit und Datenschutz am häufigsten genannt wurden. Weitere häufig genannte Themen waren Produktsicherheit und finanzielle Stabilität.
  • Häufige Sub-Themen: Zu den häufigsten Sub-Themen gehörten Arbeitsbedingungen (69%), Klimawandel-Minderung (60%) und Chancengleichheit (60%).
Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Unternehmensspezifische Themen
Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Unternehmensspezifische Themen
Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Sub-Themen
Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studie - Sub-Themen

3. Benchmarking: Vergleich von Best Practices und gängigen Methoden

  • Best Practices: Die Studie zeigt, dass keine der untersuchten Firmen die Best-Practice-Standards vollständig erfüllt. Viele Unternehmen befinden sich jedoch auf einem guten Weg, insbesondere in Bezug auf die schrittweise Herangehensweise an die Wesentlichkeitsanalyse.
  • Herausforderungen: Die Umsetzung einer quantitativen Bewertung von Nachhaltigkeitsthemen bleibt eine Herausforderung. Nur wenige Unternehmen (8%) verwenden derzeit quantitative Ansätze zur Bewertung der Auswirkungen und finanziellen Relevanz von Themen.

Die Studie der Universität Köln liefert wertvolle Erkenntnisse darüber, wie europäische Unternehmen die Anforderungen der CSRD umsetzen. Sie zeigt die Fortschritte und Herausforderungen bei der Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse und bietet praktische Empfehlungen für Unternehmen, die ihre CSRD-Berichterstattung verbessern möchten.

Gemeinsam mit den Ergebnissen der DRSC-Kurzumfrage bietet diese Studie eine umfassende Grundlage für Unternehmen, um ihre eigenen Praktiken zu bewerten und weiterzuentwickeln. Sie verdeutlicht die Bedeutung einer systematischen und gut dokumentierten Wesentlichkeitsanalyse als Grundlage für eine transparente und glaubwürdige Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Diskussion der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Studien

Die Wesentlichkeitsanalyse Benchmark Studien unter den STOXX Europe 600 und der DAX 40 Unternehmen zeigen einige Gemeinsamkeiten, wie die Relevanz von Klimawandel und Belegschaftsthemen. Beide Studien heben die Bedeutung der CSRD-Prüfung durch Wirtschaftsprüfer hervor und betonen die Notwendigkeit klarer und nachvollziehbarer Berichtsprozesse.

Ein wesentlicher Unterschied liegt in der breiteren Anwendung spezifischer Themenstandards durch die STOXX Europe 600-Unternehmen. Während die DAX 40-Unternehmen eine große Streuung bei der Anzahl der berichteten Themen zeigen, konzentrieren sich die Early Adopters im STOXX Europe 600 stärker auf bestimmte Kernstandards und unternehmensspezifische Themen.

Die CSRD-Studie der Uni Köln hebt zudem die Bedeutung von Best Practices und Benchmarking hervor, um Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Wesentlichkeitsanalyse zu unterstützen. Dies ist besonders relevant, da viele Unternehmen noch dabei sind, die neuen Anforderungen vollständig zu verstehen und umzusetzen.

Wesentlichkeitsanalyse-Excel-Template und Workshop-Angebot

Um Unternehmen bei der Umsetzung dieser Best Practices zu unterstützen, bieten wir ein umfangreiches Wesentlichkeitsanalyse-Excel-Template an. Dieses Wesentlichkeitsanalyse Excel hilft dabei, eine Stakeholder-Analyse durchzuführen, die relevanten Nachhaltigkeitsthemen systematisch zu identifizieren und zu bewerten, und erstellt automatisch eine Wesentlichkeitsmatrix.

Zusätzlich bieten wir praxisorientierte Wesentlichkeitsanalyse Workshops an, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Wesentlichkeitsanalyse gemäß den ESRS-Standards durchzuführen. Unsere Experten führen durch den gesamten Prozess. Diese Workshops bieten praktische Einblicke und helfen dabei, die Anforderungen der ESRS effizient und effektiv umzusetzen.