CSRD-Anforderungen an Aufsichtsräte und überwachende Beiräte

Die neu eingeführte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stellt zukünftig umfangreiche Anforderungen an Unternehmen und Aufsichtsräte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit der Aufnahme der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Lagebericht des Jahresabschlusses erhält diese den Charakter des Bilanzrechts. Für Unternehmen mit Aufsichtsräten nach Gesetz oder auch kontrollierenden Beiräten gemäß Satzung weitern sich dadurch die Anforderungen für das Gremium im Allgemeinen und deren Mitglieder im Speziellen bzw. Persönlichen. Kenntnisse zu Nachhaltigkeitsthemen können unter anderem mittels CSRD-Trainings oder Webinaren erlangt werden. Zudem bieten große Beratungsunternehmen spezielle Angebote für Aufsichtsräte an.

Kernaufgaben des Aufsichtsrates

Die primären Aufgaben des Aufsichtsrats lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • dem Aufsichtsrat obliegt insbesondere die (laufende Kontrolle und) Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG);
  • es kann ein Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte definiert werden;
  • der Aufsichtsrat ist ferner auch zuständig für Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 AktG);
  • die Überwachung und Prüfung der Sinnhaftigkeit und Einhaltung eines internen Kontrollsystems (IKS), eines Risikomanagementsystems (RM) sowie eines Compliance Management Systems (CMS);
  • die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts (inkl. eines ggf. gesonderten nichtfinanziellen Berichts) sowie des Vorschlags zur Verwendung des Bilanzgewinns (§ 171 AktG).

Neben den Überwachungstätigkeiten braucht es auch für die begleitende beratende Funktion entsprechende Qualifikationen, die idealerweise in Form von Kompetenzprofilen und Qualifikationsmatrizen zu dokumentieren sind.

CSRD-Anforderungen an Aufsichtsräte und überwachende Beiräte

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) fordert, dass der Aufsichtsrat in seiner Funktion der Überwachung und Beratung des Vorstands in seiner Leitung des Unternehmens insbesondere auch Nachhaltigkeitsfragen beinhaltet (siehe DCGK 2022, Grundsatz 6). Im Abschnitt C.1 findet sich die Empfehlung, dass die Kompetenz und die Qualifikation des Gremiums auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen soll.

Zur Binnenorganisation des Aufsichtsrates besteht zwar die Forderung zur Bildung von Ausschüssen bei größeren Gesellschaften, die zur Verbesserung der Wirksamkeit der Arbeit des Aufsichtsrats führen, wie z.B. die Einrichtung eines Prüfungsausschusses, eine explizite Empfehlung zur Einrichtung eines Nachhaltigkeitsausschusses findet sich hier aber nicht (DCGK 2022, Grundsatz 14).

Die Rolle des Aufsichtsrats unter der CSRD

Die im Rahmen der die CSRD präzisierenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) festgelegten Pflichten der Berichterstattung, haben für die Arbeit der Überwachungsorgane zum einen eine Relevanz aufgrund der Breite der Berichterstattungspunkte an und für sich, zum anderen fordern konkrete Punkte in den ESRS Angaben zur Ausgestaltung diesbezüglicher Governance-Themen in der Organisation.

Folgende CSRD-Anforderungen an Aufsichtsräte ergeben sich aus den ESRS: 

Fachwissen hinsichtlich Nachhaltigkeitsapekten (ESRS 2 GOV-1 Textziffer (Tz) 19, 20)

Das Unternehmen hat die Zusammensetzung der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane, ihre Aufgaben und Zuständigkeiten sowie ihren Zugang zu Fachwissen und Kompetenzen in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte anzugeben.

Ziel ist es, ein Verständnis zu vermitteln, wie Aufgaben und Zuständigkeiten der Aufsichtsorgane bezüglich der Aufsicht über das Verfahren zum Umgang mit Auswirkungen, Risiken und Chancen von Nachhaltigkeitsaspekten verteilt sind sowie über welches Fachwissen Aufsichtsräte bezogen auf Nachhaltigkeitsaspekte verfügen oder zu dem sie Zugang haben.

Fachwissen hinsichtlich der Unternehmenspolitik (ESRS G1 Tz 5)

Angaben über Fachwissen der Verwaltungs-, Leitungs-, und Aufsichtsorgane in Bezug auf Aspekte der Unternehmenspolitik. 

Gemäß Zielsetzung des Standards (ESRS G1 Tz 2) sind mit „Unternehmenspolitik“ Themen wie Unternehmensethik und -kultur, Bekämpfung von Korruption und Bestechung, Hinweisgebersysteme, Tierwohl, Beziehungen zu Lieferanten und Lobbytätigkeiten gemeint.

Befassung mit wesentlichen IROs (ESRS 2 GOV-2 Tz 26)

Liste der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) zu Nachhaltigkeitsaspekten, mit denen sich der Aufsichtsrat direkt oder über die zuständigen Ausschüsse befasst hat. Diese wesentlichen IROs werden im Zuge der doppelten Wesentlichkeitsanalyse bestimmt.

In der Praxis könnte das zukünftig bedeuten, dass Unternehmen neben dem Prüfungsausschuss einen Nachhaltigkeitsausschuss etablieren. Aufgrund der Komplexität der Anforderungen sowie der notwendigen Trennung von Erstellung und Prüfung könnten externe Fachkenntnisse, beispielsweise durch CSRD-Experten, hinzugezogen werden.

Anreizsysteme (ESRS 2 GOV-3 Tz 27)

Das Unternehmen hat über die Einbeziehung nachhaltigkeitsbezogener Aspekte in die Anreizsysteme zu informieren. Dazu gehören folgende Beschreibungen (ESRS 2 GOV-3 Tz 29):

  • Hauptmerkmale der Anreizsysteme;
  • ob anhand spezifischer nachhaltigkeitsbezogener Ziele und/oder Auswirkungen bewertet wurde;
  • ob nachhaltigkeitsbezogene Leistungsparameter in die Vergütungspolitik einbezogen wurden;
  • der Anteil der variablen Vergütung, der von nachhaltigkeitsbezogenen Zielen abhängt;
  • die Zuständigkeitsebene im Unternehmen, welche die Bedingungen von Anreizsystemen genehmigt und aktualisiert.
Vergütung (ESRS E1 Tz 13)

Der E1 Standard verpflichtet das Unternehmen unter Bezug auf ESRS 2 GOV-3 anzugeben, ob und wie klimabezogene Erwägungen in die Vergütung der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane einbezogen werden. Dazu gehören folgende Informationen:

  • Wurden Leistungen anhand der THG-Emissionsreduktionsziele (gemäß E1-4) bewertet;
  • der Prozentsatzes der mit klimabezogenen Erwägungen verknüpften Vergütung;
  • Erläuterung der klimabezogenen Erwägungen.
 

Stakeholder-Dialog

Zum einen erfordern die ESRS-Standards die Einbeziehung relevanter Stakeholder-Perspektiven im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse, zum anderen erwarten insbesondere im Falle kapitalmarktorientierter Unternehmen einschlägige Investoren oder Stimmrechtsberater zunehmend Auskünfte über das Vorhandensein entsprechender Qualifikationen im Aufsichtsgremium (Qualifikationsmatrizen), die Integration von Nachhaltigkeitszielen in der Incentivierung des Leitungsgremiums sowie die Verankerung von Nachhaltigkeitszielen im Geschäftsmodell bzw. der strategischen Planung.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die mit der CSRD eingeführte ESEF-Verordnung, die eine Maschinenlesbarkeit der Informationen des Nachhaltigkeitsberichtes durch sogenanntes XBRL-Tagging und Mapping fordert, zu einer zunehmenden Transparenz und Auswertbarkeit durch interessierte Dritte führen wird. In Verbindung mit dem Einsatz von KI werden hier zukünftig kritischere Fragen zur Ambition und Konsistenz der veröffentlichten Nachhaltigkeitsaktivitäten führen.

Generell wir damit die Reputation des Unternehmens zukünftig auch von der Ausrichtung an Nachhaltigkeitsthemen bestimmt.

Nicht zuletzt werden (Fremd-)Kapitalgeber bzw. weitere Finanzmarktakteure im Rahmen der sie betreffenden Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) entsprechende Berichte oder auch Statements zum Umgang mit diesen Nachhaltigkeitsthemen vom Unternehmen einfordern und diese u.a. bei der Kreditvergabe berücksichtigen.

Haftungsvermeidung für Aufsichtsräte durch passende Governance-Strukturen

Die Haftung des Aufsichtsrats basiert im Allgemeinen auf der fehlerhaften Überwachung des Vorstands im Sinne einer Pflichtverletzung. Die Pflichten des Aufsichtsrats ergeben sich wiederum aus den Einzelbestimmungen des AktG (insb. §111) und aus dem allgemeinen Verhaltensstandard eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns, dem das Aufsichtsrats-Mandat anvertraut ist. Im Einzelfall sind das insbesondere Kontrollpflichten und Treuepflichten.

Übertragen auf die Anforderungen der CSRD-Berichterstattung sind hier zum einen die Überprüfung der nachhaltigkeitsbezogenen Angaben im Lagebericht des Jahresabschlusses zu nennen, zum anderen aber auch die Nichteinhaltung von arbeitsrechtlichen Regularien der eigenen Belegschaft und in der Wertschöpfungskette wie auch von Compliance-Themen. In jedem Fall müssen hierzu wirksame Kontrollsysteme vorhanden sein.

Hinsichtlich der Zusammensetzung und Arbeitsstruktur des Aufsichtsrats wird es hier darum gehen, einerseits die nötige Expertise nachweisen zu können, zum anderen ein hinreichendes Zeitbudget für die Erörterung der relevanten Nachhaltigkeitsthemen dokumentieren zu können.

Weitere konkrete Punkte können sein, ob der Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte aus Sicht der „doppelten Wesentlichkeit“ erweitert werden sollte, und ob eine allfällige Selbstbeurteilung des Gremiums auch Nachhaltigkeitsaspekte bzw. -expertise berücksichtigt?

Fazit

Der ohnehin schon breiter werdende Aufgabenkatalog der Aufsichtsräte in einem zunehmend dynamischeren Umfeld wird spätestens mit der Gültigkeit der Anforderungen rund um die CSRD und die EU-Taxonomie um das Thema Nachhaltigkeit erweitert. Für die Mitglieder der Aufsichtsräte bedeutet dies, ein Verständnis für die Herausforderungen zu entwickeln, die sich durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung ergeben, aber auch für die Notwendigkeiten und Chancen, die sich für Unternehmen durch eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Ausrichtung eröffnen. Die Breite der Anforderungen spricht eher für ein ggf. durch Fortbildungen qualifizierteres Verständnis im Gremium in Gänze als für ein singuläres Expertenwissen.

Gastbeitrag verfasst von Dr. Udo Zimmermann

Udo Zimmermann - CSRD Aufsichtsrat Experte

Dr. Udo Zimmermann aus Esslingen am Neckar hat als ausgebildeter Betriebswirt viele Jahre in verantwortlichen Positionen in Handels- und Dienstleistungsunternehmen gearbeitet, zuletzt knapp 20 Jahre als Geschäftsführer insbesondere in mittelständischen Familienunternehmen.

Vor Kurzem hat er sich selbstständig gemacht und gibt seine Erfahrungen zum einen in Form von Beirats- oder Aufsichtstätigkeiten weiter. In der Initiative Beirat-BW e.V. ist er ebenso Mitglied wie in der FEA – Financial Experts Association e.V..

Zum anderen berät er als zertifizierter CSRD-Spezialist Unternehmen bei der Erstellung und beim Reporting ihres Nachhaltigkeitsmanagements.