Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sorgt für Bewegung im Mittelstand: Während viele Unternehmen durch den EU-Omnibus künftig nicht mehr verpflichtet sind, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen, entscheiden sich dennoch zahlreiche Betriebe für eine freiwillige Berichterstattung nach dem VSME-Standard – sei es aus Überzeugung, auf Wunsch von Kunden oder zur Vorbereitung auf kommende Anforderungen.
Doch was tun, wenn Zeit, Budget und personelle Ressourcen begrenzt sind? Genau hier setzt die Wesentlichkeitsanalyse Light an: ein schlanker, praxisnaher Ansatz für Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, aber keine bürokratischen Monsterprozesse wollen.
In diesem Beitrag zeigen wir dir, was die Wesentlichkeitsanalyse Light ausmacht, welche Schritte du unbedingt brauchst – und auf welche du bewusst verzichten kannst. Ideal für alle, die pragmatisch, fokussiert und dennoch CSRD-orientiert arbeiten wollen.
Wesentlichkeitsanalyse Light vs. umfängliche DWA?
Was ist die doppelte Wesentlichkeitsanalyse (DWA)?
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse (DWA) ist das Herzstück der CSRD-konformen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie hilft Unternehmen zu bestimmen, welche Nachhaltigkeitsthemen tatsächlich relevant – also wesentlich – sind, und somit in den Bericht aufgenommen werden müssen.
„Doppelt“ bedeutet dabei: Zwei Perspektiven müssen berücksichtigt werden:
- Impact Materiality: Also die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft (z. B. CO₂-Emissionen, Arbeitsbedingungen).
- Financial Materiality: Also die finanziellen Risiken und Chancen, die sich aus Nachhaltigkeitsthemen für das Unternehmen ergeben (z. B. Klimarisiken, regulatorische Änderungen, Markttrends).
Ein Thema gilt bereits dann als wesentlich, wenn eine dieser beiden Perspektiven zutrifft. Die DWA ist damit mehr als nur ein Häkchen für die Compliance – sie ist ein strategisches Instrument, das Unternehmen hilft, sich auf die wirklich wichtigen Themen zu fokussieren.
Der Haken: Eine vollständige DWA ist aufwendig, teuer und oft schwer umzusetzen – besonders für kleinere Unternehmen. Genau deshalb braucht es einen schlankeren Weg: die Wesentlichkeitsanalyse Light.
Was ist eine „Wesentlichkeitsanalyse Light“?
Seit dem VSME Update vom Dezember 2024 ist die DWA nicht mehr verpflichtend für den freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht anwendbar. Dennoch ist es ratsam – auch aus Perspektive der Nachhaltigkeitsstrategie – eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen.
Die Wesentlichkeitsanalyse Light ist eine reduzierte, pragmatische Version der doppelten Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD und ESRS. Sie richtet sich an Unternehmen – insbesondere KMU – die beispielsweise einen freiwilligen VSME-Nachhaltigkeitsbericht erstellen möchten.
Pflichtprogramm: Diese 5 Elemente braucht jede Wesentlichkeitsanalyse Light
Während die vollständige Wesentlichkeitsanalyse umfangreiche Stakeholderdialoge, detaillierte Bewertungen, sowie umfangreiche Dokumentation erfordert, konzentriert sich die Light-Variante auf das Wesentliche im besten Sinne. Doch auch in der DWA Light-Variante gilt: Ganz ohne Substanz funktioniert keine Wesentlichkeitsanalyse – selbst wenn sie freiwillig erfolgt.
Doppelte Wesentlichkeit beibehalten
Die Analyse muss sowohl Impact- als auch Finanzperspektive abdecken. Ein Thema kann also entweder „innen nach außen“ oder „außen nach innen“ wesentlich sein – oder beides.
2. IROs identifizieren
Die Grundlage jeder Wesentlichkeitsanalyse sind die sogenannten IROs (Impacts, Risks & Opportunities). Diese sollten strukturiert erfasst werden, idealerweise mithilfe vorgefertigter Kataloge (z. B. der IRO-Datenbank von CSR Tools). Eine vollständige Inventur ist nicht nötig – aber eine nachvollziehbare Auswahl schon.
3. Vereinfachte Bewertungen
Du brauchst kein quantitatives High-End-Bewertungsmodell. Eine qualitative Einschätzung reicht völlig – zum Beispiel mit den Kategorien hoch / mittel / niedrig für jeden Bewertungsaspekt (Ausmaß, Tragweite, Umkehrbarkeit, Wahrscheinlichkeit). Es ist empfehlenswert die Bewertungsaspekte und Logik beizubehalten, um sich einen späteren Umstieg auf die CSRD offen zu hakten.
4. Stakeholder-Perspektive einbeziehen
Keine aufwändigen Interviews oder Umfragen – aber ein desk-based Blick auf relevante Stakeholder-Interessen (z. B. Kundenerwartungen, regulatorische Entwicklungen, Branchenstandards) sollte erfolgen. Das kann durch Branchenreports, Marktanalysen oder interne Einschätzungen abgedeckt werden.
5. Dokumentation des Vorgehens
Transparenz schlägt Perfektion: Wichtig ist, dass du nachvollziehbar dokumentierst, wie du zu deinen Ergebnissen gekommen bist. Wer war beteiligt? Welche Quellen wurden genutzt? Welche Kriterien galten als ausschlaggebend? Diese Dokumentation ist vor allem bei Nachfragen von Kunden, Banken oder möglichen Prüfern Gold wert, aber auch für die interne Nachvollziehbarkeit relevant.
Der Fokus liegt auf schneller Umsetzbarkeit und anschlussfähigen Ergebnissen, die jedoch einen leichten Umstieg auf eine CSRD-konforme Wesentlichkeitsanalyse ermöglichen. Ziel ist nicht, den Prozess zu verwässern, sondern ihn handhabbar zu machen – für Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, aber mit begrenzten Ressourcen operieren. Die Wesentlichkeitsanalyse Light ist damit auch ein Türöffner: Sie ermöglicht einen strukturierten Einstieg in die ESG-Berichterstattung, ohne sich in Komplexität zu verlieren.
Auf diese Elemente kannst du in der Light-Variante verzichten
Hier ist, was du dir (ganz bewusst) sparen kannst:
- Umfangreiche Stakeholderbefragungen: Du musst keine externe Umfrage starten. Die Einbeziehung der Stakeholderperspektive kann auch durch Schreibtischrecherche, Marktanalysen oder interne Diskussionen erfolgen, z.B. bestehende Mitarbeiterumfragen und Lieferantenbefragungen nutzen.
- Bewertung auf Sub-Sub-Themen-Ebene: Eine Bewertung auf tiefster Granularität – z. B. für einzelne Sub-Sub-Themen – ist nicht notwendig. Eine Bewertung auf Themen-Ebene reicht aus, da auch der VSME-Standard sich überwiegend auf dieser Aggregationsebene bewegt. Das spart Zeit und entspricht der Realität vieler KMU.
- Vollständige Analyse der Wertschöpfungskette: Die Analyse von Tier-1-Lieferanten sowie der direkten Kunden und grobe Einschätzungen zu deren ESG-Risiken und Impacts reichen völlig aus. Keine detaillierte Standortanalyse oder Nachverfolgung der gesamten Wertschöpfungskette nötig.
- Heatmaps, Spider-Charts & Matrixvisualisierungen: Visuelle Darstellungen können helfen – sind aber kein Muss. Eine einfache Tabelle oder Liste reicht, um deine Ergebnisse transparent darzustellen. Dabei ist auch das VSME Mapping der Berichtspflichten zu den ESRS-Themen hilfreich.
- Externe Validierung oder CSRD Prüfung: Du brauchst keine Testate oder externen Gutachten, solange du freiwillig berichtest. Glaubwürdigkeit entsteht durch Nachvollziehbarkeit – nicht durch Perfektion. Dennoch kann beispielsweise eine Plausibilitätsbeurteilung (Bescheinigung nach IDW S7) für Unternehmen sinnvoll sein. Mehr Informationen dazu gibt es auch in der Aufzeichnung und den Fragen und Antworten zu unserem VSME Webinar.
Durch den bewussten Verzicht auf diese Punkte sparst du Zeit, Geld und Nerven – ohne den Kern der Wesentlichkeitsanalyse zu verlieren.

Effizienter Ablauf einer Wesentlichkeitsanalyse Light
Eine Wesentlichkeitsanalyse Light muss nicht kompliziert sein – aber sie sollte strukturiert sein. Die folgenden vier Schritte bilden einen schlanken, aber effektiven Prozess ab, mit dem du ohne großes Team schnell zu belastbaren Ergebnissen kommst.
Wesentlichkeitsanalyse Light Excel Template und Softwarelösung
Wir passen aktuell unser beliebtes Wesentlichkeitsanalyse Excel Template an, um eine DWA Light zu ermöglichen. Interesse? Füllen Sie dieses Formular zur Wesentlichkeitsanalyse Light Excel Vorlage aus und wir melden uns baldmöglichst bei Ihnen.
Auch in unserer Materiality Master Software werden wir zeitnah eine DWA Light-Option anbieten.
Schritt 1: Vorauswahl der relevanten Themen
Der erste Schritt ist die thematische Eingrenzung. Statt alle 10 ESRS-Themen pauschal zu prüfen, kannst du gezielt vorgehen:
- Welche Themen sind typischerweise in deiner Branche relevant?
- Welche regulatorischen Trends, Marktanforderungen oder Branchenguidelines spielen eine Rolle?
Hier bietet es sich an, auf vorgefertigte Branchen-Shortlists, wie beispielsweise die Industry Materiality Map von MSCI oder den Materiality Finder von SASB, zurückzugreifen. Die Liste der relevanten Themen sollte nochmals überprüft und mit dem Geschäftsmodell und den Aktivitäten des Unternehmens abgeglichen werden.
Schritt 2: Auswahl von IROs innerhalb der relevanten Themen
Innerhalb der identifizierten Themen werden nun konkrete IROs ausgewählt, die zum Geschäftsmodell und zur Tätigkeit des Unternehmens passen:
- Welche (potenziellen) Auswirkungen, Risiken oder Chancen sind mit dem Thema verbunden?
- Welche IROs sind realistisch und plausibel bezogen auf dein Unternehmen?
Die Erstellung der IROs kann beispielsweise mithilfe von Wesentlichkeitsanalyse KI-Prompts geschehen oder über die Auswahl vorformulierter IRO Beispiele aus einer Datenbank.
IRO-Datenbank
Die IRO-Datenbank liefert Ihnen zahlreiche vorformulierte Impacts, Risks und Opportunities für Ihre ESRS-konforme Wesentlichkeitsanalyse.
Mehr erfahren
Schritt 3: Bewertung der IROs
Im dritten Schritt erfolgt die qualitative Bewertung der ausgewählten IROs entlang der doppelten Wesentlichkeit gemäß den festgelegten Bewertungskriterien.

Als Skala ist es sinnvoll eine simple 3-stufige Auswahl zu nutzen: Niedrig, Mittel, Hoch.
Schritt 4: Dokumentation und Stakeholder-Einbindung (optional)
Wenn die Bewertung ausschließlich vom Kern-Tesm vorgenommen wurde, könnte eine Einbindung von weiteren internen Stakeholdern zur Validierung der Themen und Bewertungen hilfreich sein.
Zudem wird dokumentiert:
- Welche Stakeholder-Perspektiven wurden bei der Bewertung einbezogen?
- Welche Dokumente, Quellen oder Belege stützen die Auswahl und Bewertung des IRO?
Diese Dokumentation schafft Nachvollziehbarkeit – und ermöglicht, bei Bedarf tiefer einzusteigen oder die Analyse zu aktualisieren. Falls die DWA auf freiwilliger Basis geprüft werden, ist die Dokumentation besonders hilfreich.
Vorteile der Wesentlichkeitsanalyse Light
Die Wesentlichkeitsanalyse Light bietet eine ganze Reihe konkreter Vorteile. Sie verbindet Struktur mit Machbarkeit – ohne den Anspruch zu verlieren, relevante Nachhaltigkeitsthemen systematisch zu erfassen.
✅ Geringerer Zeit- und Ressourcenaufwand
Der Prozess ist so konzipiert, dass er auch mit kleinem Team und überschaubarem Aufwand durchführbar ist – ohne Workshops, Großprojekte oder externe Stakeholderdialoge.
✅ Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die Light-Analyse ermöglicht einen niedrigschwelligen Start, der später problemlos vertieft werden kann – z. B. im Rahmen einer vollständigen DWA, sobald mehr Kapazitäten oder Pflichten bestehen.
✅ Anschlussfähig an VSME & CSRD
Auch wenn sie schlanker ist: Die Wesentlichkeitsanalyse Light orientiert sich klar an den Grundprinzipien der CSRD und den VSME-Standards. Damit ist sie mehr als nur ein internes ESG-Tool – sie ist reportingfähig. Unsere VSME Datenpunkte-Liste und die VSME-Berichtsvorlage als Word sind hilfreiche und pragmatische Tools für Ihren Bericht.
✅ Interne Klarheit & strategischer Überblick
Durch die strukturierte Auswahl und Bewertung von IROs wird deutlich, welche Themen wirklich relevant sind – für Kunden, Investoren, Banken oder regulatorische Entwicklungen. So wird Nachhaltigkeit zur Chefsache mit klarer Datenbasis.
✅ Geringeres Risiko bei steigenden Anforderungen
Wer heute freiwillig berichtet, ist morgen besser vorbereitet: Die Wesentlichkeitsanalyse Light hilft, sich frühzeitig auf kommende Regulierungen einzustellen – und schafft eine belastbare Grundlage für spätere Erweiterungen.
Fazit
Die Wesentlichkeitsanalyse Light ist kein Kompromiss – sie ist eine praxisnahe Antwort auf die Herausforderungen vieler kleiner und mittlerer Unternehmen: begrenzte Ressourcen, hoher Erwartungsdruck und der Wunsch, Nachhaltigkeit strukturiert, aber machbar anzugehen.
Indem sie sich auf das Wesentliche konzentriert – Themenebene statt Detailwahn, klare IRO-Bewertung, effektive Einbindung der Stakeholder-Perspektiven – ermöglicht sie einen echten Einstieg in die CSRD-Logik, ohne Unternehmen zu überfordern. Wer freiwillig nach dem VSME-Standard berichten möchte, bekommt so ein schlankes, anschlussfähiges Instrument an die Hand, das Wirkung zeigt – intern wie extern.